Tierisch ökologisch

Die nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung des Wasserguts Canitz birgt große Chancen für eine reiche Tier- und Pflanzenvielfalt. Oder ist es genau umgekehrt?

Es ist ein warmer Frühlingstag, die Sonne scheint kräftig vom Himmel und eine Schar Bienen macht sich summend auf die Suche nach Nektar. Kurz blitzen im hohen Gras zwei lange Ohren auf, dann macht sich der Feldhase in langen Sätzen auch schon wieder davon. Wer weiß, vielleicht lauert da ein Fuchs oder gar ein Wolf in der Nähe? Oder es ist der am Himmel kreisende Fischadler, der Meister Lampe nervös macht? Der Schwarzspecht lässt sich davon nicht beirren und meißelt weiter mit seinem harten Schnabel in die Rinde einer Pappel. Blickt man an dem durchfurchten Baumstamm nach unten, entdeckt man Nagespuren, die nur von einem Biber stammen können. Da wird sich der Specht wohl bald ein neues Zuhause suchen müssen. „Zum Glück gibt es bei uns auf dem Wassergut Canitz zahlreiche Rückzugsorte für Wildtiere“, weiß Dr. Bernhard Wagner, Geschäftsführer der Wassergut Canitz GmbH. Moment mal, das ist doch ein Landwirtschaftsbetrieb, mag manch einer nun denken. Und er hat Recht.

Win-win beim Artenschutz

Doch auch, wenn die kleine Frühlingsgeschichte vom Anfang nur erdacht ist, so könnte sie sich durchaus so oder so ähnlich auf dem Wassergut zugetragen haben. „Wir betreiben viel Aufwand für den Schutz und Erhalt einer großen Artenvielfalt“, erzählt Wagner, „das fängt schon bei der Bewirtschaftung unserer Felder an.“ Während konventionelle Landwirtschaftsbetriebe häufig auf kurze Fruchtfolgen oder gar Monokulturen setzen – also zum Beispiel ausschließlich Mais anbauen – werden auf dem Wassergut Canitz 16 verschiedene Kulturarten angepflanzt, darunter Getreide, Kartoffeln, Zwiebeln, Öllein und Buschbohnen. „Diese Pflanzen werden zu ganz unterschiedlichen Zeiten im Jahr gesät und geerntet. Wenn wir also auf einem Feld zu Werke gehen, dann gibt es immer noch genügend andere, auf denen die Tiere einen Rückzugsort finden – weil dort eben gerade keine Erntezeit ist“, erklärt Wagner. „Dazu kommt, dass wir keine Pflanzenschutzmittel einsetzen, nicht mal ökologische Präparate, die im Ökolandbau zulässig sind. Wenn wir zum Beispiel im Spätsommer unser Getreide aussäen, dann passiert damit in der Regel bis zur Ernte im darauffolgenden Jahr gar nichts.“ Ideal also für eine Vielzahl von Wildtieren, Bodenbrütern und Insekten – die sich wiederum als Nützlinge auf den Feldern verdient machen, sei es, indem sie Schädlinge bekämpfen, den Boden fruchtbar halten oder die Blüten bestäuben. „Deshalb wollen wir es unseren tierischen Helfern hier bei uns so gemütlich wie möglich machen.“ Die fühlen sich nämlich nicht nur auf den Feldern wohl, sondern auch in den Streuobstwiesen, den Waldgebieten, den Muldenauen, Hecken und Gehölzstreifen, die das Wassergut zu einem einzigartigen Biotop machen. Rehe, Füchse, Dachse, Wölfe, Waschbären, Feldhasen, Marder, Fischadler, Rebhühner, Fasane, Bussarde, Falken, Rotmilane, Störche, Pirole, Spechte, Schwalben – diese Liste könnte man wohl noch ewig fortführen.

Alles ist verbunden

„Diese Arten sind natürlich für die Öffentlichkeit interessant, weil man sie gut beobachten kann und sie einfach schön anzusehen sind“, weiß Axel Weinert. Der Landschaftsarchitekt ist als Revierjäger häufig auf dem Wassergut unterwegs und kennt die Umgebung wie seine Westentasche. „Gern gesehen sind auch die seltenen Schwarzstörche, Wiedehopfe, Kiebitze, Rebhühner oder Bienenfresser. Diese sogenannten Kennarten signalisieren ein gesundes Biotop. Wichtig sind aber vor allem die ganzen Organismen, die sich eher im Hintergrund halten, Insekten und Weichtiere, die zum Teil nur wenige Millimeter groß sind. Die werden häufig gar nicht beachtet, dabei sind sie die Basis für ein funktionierendes Ökosystem.“ Denn sie bilden die Nahrungsgrundlage für größere Tiere, die sich in den Grünflächen, Hecken und Wäldern wohlfühlen – und auf den Feldern, die sie frei von Schädlingen halten. Auf den Feldern wächst neben gesunden Lebensmitteln für uns Menschen auch das Futter für die Rinder, die wiederum durch eine schonende Beweidung für einen artenreichen Lebensraum sorgen. Ganz nebenbei befindet sich in deren Dung auch die Kinderstube zahlreicher Kleinstorganismen – ein geschlossenes System also aus Ackerbau, Grünflächen, Weidetierhaltung und Waldbau. Und es gibt noch einen weiteren Faktor in diesem organischen Kreislauf: Das Wassergut Canitz bewirtschaftet die Flächen rund um die Großwasserwerke Canitz und Thallwitz der Leipziger Wasserwerke. Durch den ökologischen Landbau werden also nicht nur Pflanzen und Tiere geschützt, sondern auch unsere Trinkwasserressourcen.

Rotmilanschutz

Für seinen Beitrag zum Rotmilanschutz bekam das Wassergut Canitz im Oktober 2019 die Auszeichnung „Rotmilanfreundlicher Betrieb“ durch den Deutschen Landschaftspflegeverband und das Bundesamt für Naturschutz verliehen. Wenn man bedenkt, dass das Hauptverbreitungsgebiet der eindrucksvollen Greifvögel in ganz Europa im Kreis Nordsachsen und Umgebung liegt, gewinnt die Auszeichnung umso mehr an Gewicht.

Den ganzen Artikel finden Sie auch im Heft Leipziger Leben 1-2021, Seite 12

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